E-Motion in der Alexandertechnik

E – Motion in der F.M. Alexandertechnik

Die ersten Er­fah­rungen mit der F.M. Alexander-Technik fielen in die Zeit, in der ich ein Thema für mei­ne Di­plom­arbeit im Rah­men meiner Ausbildung zur Psychologischen Beraterin suchte. Die Analo­gien zwischen den systemischen Ansätzen in der modernen Psycho­logie und dem, was ich in den Einzelstunden selbst erfuhr, faszinierten mich so, dass ich mich inten­si­ver damit be­schä­f­­tigen wollte.

In der Haltung zur folgenden zentralen Fragestellung der Psychologie „Wie ent­stehen die tiefsitzenden Ge­fühle, die uns als Automatismen ‚krank‘ machen und un­se­re Lebens­qualität beeinträchtigen?“ gibt es einen Konsens, der psychologische Ansätze un­ter­schied­li­cher Her­kunft ver­eint. Diese Modelle basieren auf dem Konzept der Ganz­heit­­lich­keit stellen Selbst­­be­­stim­mung, Eigen­verant­wor­tung und Entschei­dungs­ver­mö­gen des Men­schen in den Mittel­punkt. Mein Interesse galt den Gemein­sam­­keiten von Alexan­der­tech­nik und den sys­­­te­­­­­mischen Modellen als Werk­zeu­ge der Psy­cho­logischen Beratung. Ich machte mein Interesse daher zum Thema:

„Psychologische Bera­tung & F.M. Alexandertechnik – Wir haben die Wahl – Zu den Analo­gien in der Theorie, Methodik und Wirkungsweise von F.M. Alexandertechnik & Psycho­lo­gi­scher Beratung am Beispiel des Modells des Inneren Teams

Ich wählte danach die Ausbildung zur Lehrerin für Alexander­technik. Alexander hatte die we­sen­t­­lichen Erkennt­nisse, die ich an den neueren Ansät­zen der Psychologie so schätz(t)e, for­mu­liert, an sich selbst erprobt und in der Alexander-Technik methodisch um­ge­setzt. Gegen En­de meiner Aus­bil­dung bildete sich auch meine Über­zeu­gung aus, zu­künftig als Leh­rerin für Alexan­dertechnik und das hilfreiche psychologische Wissen bei meiner Arbeit einzu­setzen. Ausschlaggebend für meine Entscheidung war, dass das wesentliche Mit­tel für die Ver­­mitt­lung der Alexandertechnik und den Unterricht m. E. die Ar­beit mit dem Händen ist, da­­ne­ben natürlich auch die verbalen Anweisungen, Erläu­te­rungen und das Gespräch zwi­schen LehrerInnen und SchülerInnen.1

  • Die Hände fungieren u.a. als „Spiegel“, um den Schülern eine Rückmeldung über Kör­­pergrenzen, Span­nungszustände und Haltungen zu geben. In der Beratung wer­den Tech­­niken ein­gesetzt, um Aussagen oder Stimmungen der Klien­ten zu „spiegeln“ und be­wusst zu machen.
  • Die Hände transportieren Informationen und stellen eine Beziehung zwischen Lehrer und Schüler her. Im Beratungsprozess ist es der Rapport, die vertrauens­volle und wert­­­­schätzen­de Beziehung zwischen Beratenden und Klienten.
  • Die Hände initiieren und tragen den feinen Dialog zwischen Lehrerin und Schü­lerin, sie kom­munizieren mit dem Organismus des Schülers, geben Impulse, der Schüler „ant­wortet“ darauf und der Lehrer „antwortet“ usf.
  • Die Hände geben dem Schüler durch­gängig Unterstützung und Rückmeldung, die der Klient in der Beratung durch die einfühlende Beobachtung des Beraters und das Setting erhält.

Durch die Be­rührung mit den Händen, über den kin­ästhe­tischen Sinn, wird den Schülern ihr realistisches Kör­per­sche­ma „zurückgegeben“, ihre Körpergrenzen, -haltungen, Bewe­gungen und Spannungs­zu­stän­de spürbar und bewusst. Die Alexandertechnik als Metho­de betrifft alle Ebenen des Menschseins, ihre Vermittlung und Anwendung lässt Prozesse auf der kör­perlichen, emotionalen und geistigen Ebene fühl­bar werden, zur Sprache bringen und be­wusst werden, um alle Ebenen organisch auf­ein­an­der zu beziehen.

Psychologische Beratung setzt an den Emotionen der Klienten an. Die Emotionen sollen re­ak­­­tiviert und erfahr­bar werden, ihre Wechsel­wirkung mit dem Denken und Handeln wird zum Thema. Trotz der Inte­gra­tion erlebnisakti­vierender oder psycho­dra­matischer Ele­­mente in den Beratungs­pro­zess, die Beach­tung non­verbaler Aus­drucks­wei­sen wie Gestik und Mimik im Verhältnis zu sprachlichen Äußerungen und ihre Thematisierung, ist die dominante Ebene in der Beratung die Sprache.

Eva Wagendristel

Die Alexander­technik setzt am Kör­per an und erreicht über den kinästhetischen Sinn den ganzen Menschen. Über die Sinne empfangen wir Eindrücke und Bilder, der Ver­stand ar­bei­tet erst, wenn die Sinne ihm etwas anbieten. Die Alexandertechnik ba­­siert auf der Er­­fahrung Alexan­ders,

dass der kinästhetische Sinn durch gewohnheitsmäßigen Fehl­gebrauch unzuverlässig ge­worden ist. Die automatische Einmischung in das natürliche Funk­tionieren der Primärkontrolle führt zur verzerrten Selbstwahrnehmung. Der zur Ge­wohn­heit ge­wordene Fehlgebrauch beein­flusst unsere Beziehung zu unserer Innenwelt und zu un­serem kinästhetischen Sinn.2

Der kinästhetische Sinn ist der erste Sinn, die Haut das erste und wichtigste Wahrneh­mungs­organ, mit dem wir im Mut­­terleib unsere Umwelt erfahren, später mit den Händen be­greifen. Danach bil­den sich die an­deren Sinne aus. Parallel entwickelt sich das Gehirn und bildet aus den indi­viduellen Erfahrungen im Laufe des Lebens seine neuronalen Netzwerke aus der Verar­bei­tung von Sinnesreizen, damit verbundenen Emotionen, Bewer­tungen, Reak­tio­nen, ihrer Diffe­renzierung und kogni­tiven Verarbeitungsprozessen.

Die Alexandertechnik setzt „am Ursprung“, an der kinästhetischen Erfahrung an, an den Kö­per­­­prozessen und Anspannungen, die direkt mit den Emotionen verbunden sind. Die Auf­merk­­samkeit der Schüler wird auf Körperprozesse, Bewegungsprozesse und –muster ge­lenkt. Der „Dialog“ zwischen Lehrenden und Schülern konzentriert sich auf den Zusam­menhang zwischen Sinneswahrnehmung und Bewegungsprozessen und –mustern. Die bewus­ste Wahr­neh­mung der Emotion ermöglicht ihre Formulierung, das Gefühl, den Ge­dan­ken und zugrunde ­liegende Vorstellungssysteme als Motor des Handelns.

„Inhibition“ eröffnet den Raum, die Identifikation mit den automatisch ablaufenden Pro­zes­sen und Reaktionen aufzulösen, Abstand zu gewinnen und das, was ist, bewusst wahr­zu­neh­men und zu akzeptieren.

„Direction“ ermöglicht das bewusste Heraustreten aus dem eigenen System, das Vorstellen der Alternative als „Probehandeln“, um dann bewusst in die Bewegung, d.h. ei­nen anderen Weg zu gehen. Die Vorstellung von einer Tätigkeit ruft immer verschie­denste Körper-, Denk- und Gefühlsprozesse ab, die an diese Vorstellung geknüpft und im ZNS gespeichert sind. „Direction“ ist die bewusste Wahl der gewünschten Vorstellung.

Sensomotorik und verbale Ein­flüsse und Indoktrinationen sind die we­sent­lichen Fak­to­ren für die Bildung un­serer Selbst­­­konzepte. Ungünstige Selbst­­konzepte steh­en unserer Ent­wicklung, Ge­sundheit und Le­­­bens­qua­lität im Weg.

Eva Wagendristel

Eine Methode, die auf beiden Ebe­nen arbeitet und auf eine Ver­än­­­­derung der neuronalen Schaltkreise abzielt, scheint mir am besten ge­eig­net, Denken und Fühlen umzu­struk­turieren und damit echte Verhaltens­veränderung zu be­­­­wirken. Der Organismus selbst ist „Psycho­lo­gi­scher Bera­ter“, Kompass für eine klare (Selbst-)­­Wahr­nehmung, für die eigenen Emotionen und authentisches Füh­len, Denken und Han­deln.

Vo­r­aus­­setzung da­für ist, dass wir seiner Funk­tionsweise ent­sprechend mit ihm um­­gehen, seine Bot­schaften ver­stehen und darauf be­wusst ant­­worten – in Be­zug auf uns selbst, auf die anderen, auf das, was wir tun und wie wir es tun.

Der Mensch ist eine psycho-physische Einheit

F.M. Alexander ging von der Einheit motorischer und mentaler Prozesse aus und arbeitete mit der Überzeugung, dass wir jeden Gedanken, jedes Erlebnis, jedes Gefühl – alles – in Mus­­­kel­­­­span­nung umsetzen.  Das Unterlassen überflüssiger muskulärer Spannung hat um­ge­­kehrt Auswirkungen auf den ganzen Menschen, sein Denken, Fühlen und Handeln. Dies ist eine Erkenntnis, die in der modernen Psychologie zunehmend wichtig wurde.

“Geist und Körper sind keine separaten Einheiten. Krankheiten oder Störungen können des­halb nicht als körperliche oder geistige ein­ge­teilt und als solche behandelt werden. Daher muss jeder Schulung die unteilbare Einheit des mensch­lichen Organismus zugrunde lie­gen… .3

Die Körperhaltung und das Verhältnis zu ihr hat Einfluss auf das gesamte psychophsysische Be­finden einer Person. Jede ein­zelne Aktivität betrifft den Men­schen als Ganzes. Ent­spre­chend ist das Selbst die Ganz­heit kognitiver, emotionaler und physischer Vor­gänge und Zu­stände. Der Gebrauch des Selbst ist die Haltung des Körpers als Kon­sequenz des Ge­brauchs, die so­wohl die Beziehung aller ein­zelnen Teile zueinander als auch die Wechsel­­­wir­kung kogn­itiver, emo­tionaler und physischer Prozesse und Zustände umfasst so­wie unsere Hal­­­tung zu unse­rem Körper, zu uns selbst.

E. Wagendristel

Der Gebrauch des Selbst ist Ausdruck der see­lischen Ver­fassung und emotionalen Hal­tung einer Person als Ganzheit. Er bildet Charakter­dis­positio­nen, Selbstkonzepte, Wahr­neh­mun­gen und Hal­tungen ab. Und: Nur in einem be­stim­­mten Gebrauch sind auch die ent­spre­chen­den Selbst­konzepte, un­­­se­re Wahr­neh­mung, Hal­­­tun­gen und Emotionen möglich; nur durch diesen Ge­brauch kön­nen sie sich verfes­ti­gen und fort­set­zen: Sie werden zu Ge­wohn­heiten.

„Viele gewohnheitsmäßige Hal­tun­gen drücken nicht unmittelbar eine Emotion aus, son­dern sind viel­mehr eine Position, aus der heraus be­stim­mte Verhaltensweisen und Emo­­ti­on mög­lich sind.“4

Der falsche Gebrauch in Form schlechter Ge­wohnheiten ist die Konsequenz viel tiefer ge­hen­der ungünstiger Pro­zesse, welche die ganze Person mit einbeziehen. Gefühls­zustände wie Angst, De­pression haben ihre Entsprechung in der Art und Weise des Zusam­men­­spiels mit bestimmten Konfigura­ti­onen der Muskulatur. Diese entstehen durch emotio­nale Reak­tionen und durch den Einsatz unseres Körpers in sich wie­derholenden Ar­beits­situ­a­ti­o­nen.5

Der Zusammenhang zwischen emotionaler, mentaler und muskulärer Ebene wurde in mei­ner Arbeit als Lehrerin für Alexandertechnik immer wichtiger. Ich versuche, meine Schüler durch die Anwendung der Prinzipien der Alexan­­­dertechnik darin zu unterstützen, ihre Gefühle, Glau­bens­­systeme, ihre Persön­lich­keits­­struktur mit ihren indivi­duellen Span­nungs­­mustern in Zusammen­hang zu bringen und auf allen Ebenen zu betrachten. Der Zugang zum eigenen Selbst und Selbst-Bewusstheit sind m. E. die Voraus­setzung für das Erkennen und Wahr­nehmen von Veränderungs­richtungen und Alter­na­ti­ven. Dieses Potenzial wird sichtbar, wenn wir die Bedeutung von Span­nungs­mus­tern im Prozess des Lo­slassens erkennen.

Psyche – Atem und Lebenskraft

Psyche [gr. psychein: hauchen] bedeutet urspr. Hauch, dann Atem. Der Atem als Kenn­zei­chen des Lebens führte zur Gleichsetzung der Psyche mit dem Leben, der Lebens­kraft und Le­­bens­energie, zuletzt mit der Seele als dem Lebensprinzip. Atmen heißt fühlen und eine ein­geschränkte Atmung, ein verengter Brustkorb und eine einge­schränkte Tätigkeit des Zwerch­fells verhindern bestimmte Empfindungen des Körpers und Gefühlszustände. Wenn wir flach atmen, verringern wir die Menge an aufgenommener Luft und gleichzeitig das Vo­lu­men unserer Lungen, unseres Brust- und Bauch­­­raums. Eine flache und hastige Atmung führt zu Gefühlen der Angst, Nervosität und Unbehagen im Organismus.

„Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass bestimmte Empfindungen den Körper in bestimmter Weise beeinflussen und doch andererseits die Struktur und die Funktionen des Körpers die Voraussetzung für bestimmte Gefühlszustände sind. Wenn z.B. bestimmte Atemmuster als Abwehrmechanismen gegen das Erleben bestimmter Gefühle entwickelt werden, beginnen die Muskeln und das darunter liegende Zwerchfell, sich zu verhärten und zusammen­zuziehen und so ein unbewegliches Korsett voller Spannung um die Lungen zu legen.“6

Alexander ging davon aus, dass eine ausgeglichene Muskelspannung im Organismus die Voraussetzung für eine optimale Koordination und den natürlichen Fluss der Atmung ist.

Das Zusammenspiel von Muskeln, Organen, Rippen und der feinen Mecha­nis­men, die am Atemvorgang beteiligt sind, macht deutlich, dass die Voraussetzung für eine frei fließende At­mung ein entspannter, gesunder Körper bzw. ein gesundes Körper­bewusstsein ist. Wird die Atmung nicht blockiert, gelangen die in den Eingeweiden, im Bauchraum ent­stehen­den Empfindungen/Gefühle in die Brustregion und können „auf dem Weg dorthin“ be­wusst wahr­genommen, diffe­renziert und schließlich in Gestik, Mimik, in Handlung um­­gesetzt werden.

Eine Blockierung und Verflachung der Atmung verur­sacht eine Blockierung und Be­schrän­kung der Emotionen und Gefühle, so dass sie in ihrer Bedeutung als „Rat­geber“, als Res­sour­­ce für eine aus­ge­wogene see­lische Verfassung, eine klare Wahr­neh­mung und ange­mes­senes Handeln nicht zur Ver­fü­gung stehen.

Emotion und Gefühl

Wir nehmen Körperzustände wahr, wenn wir Emotionen fühlen. Gefühle sind notwendig zur Wahrneh­mung des durch Emotionen veränderten Körpers. (William James)

Emotion (emovere: herausbewegen) bezeichnet (von Geburt an) das Erleben und den Aus­druck von Freude, Angst, Trauer, Neugier und Ärger, später auch Schuld, Scham, Neid usw. Jede Erfahrung, jedes Erlebnis ist mit Emotionen verbunden, jede Emotion hat eine be­stimmte Erlebnisqualität und besitzt eine Motivation für ein bestimmtes Verhalten.

Die Evolution hat zuerst die Emotionen, dann – mit der Entwicklung der jüngeren Hirnstruk­turen – die Gefühle hervorgebracht. Emotionen sind Motor für automatische Reak­tionen auf Reize, die auf unbewusste Art das Überleben des Organismus sicher(te)n und die sich des­halb durchgesetzt haben. Emotionen sind vorübergehende Verän­derungen im Orga­nis­mus, werden sie von uns be­wusst wahrgenommen, so spricht man von Gefühl. Als Gefühl be­zeich­net Damasio die Re­prä­­sentation der vorüber­gehenden Veränderungen im Orga­nismus in Form neuronaler Mus­ter und den damit verbun­denen Vorstellungen.7

Das Gefühl wird also nicht im Körper, sondern in der Repräsentation des Körperschemas im Gehirn wahrgenommen. Die Basis für diese Wahrnehmung wird in der Kartierung des Kör­pers im Gehirn geschaffen. Diese Karten bilden Teile des Körpers und seine Zustände ab.

Mein Unterricht zielt daher immer darauf ab, über die Berührung mit den Händen, Körper­schema und Körperzustände bewusst zu machen, zu formulieren und Karten im Gehirn (wie­der) anzulegen und durch den Dialog zwischen Gehirn und Körper eine verläs­s­liche Sinnes­wahr­nehmung (wieder) anzueignen.

Ausblick – Mittel der Veränderung

„Der Prozess des Fühlens hat Orientierungsfunktion und macht den Organismus aufmerksam auf ein Problem, mit dessen Lösung die Emotion begonnen hat.8

Im Mittelpunkt meines Unterrichts steht die Vermittlung der Prinzipien der Alexandertechnik mit dem Ziel, dass die Schüler sich durch das Loslassen übermäßiger Muskelspannung zur Re­akti­vierung der Aufrichtungsreflexe ihren Kör­per wieder aneignen und sich (langfristig) wieder auf ihre Emotionen, ihr Füh­len und Denken als Wah­r­nehmungs- und Orientie­rungs­funk­tionen ver­­las­sen können. Das Erlernen der Alexan­der­­technik kann zum Erleben des Zu­sammenhangs zwischen Kör­per, Geist und Emotion füh­ren. Das Wissen um diesen Zusam­men­hang und ihr Zusam­men­wirken wird mit der An­wen­dung der Methode zur kinästhe­ti­schen Erfahrung.

Die Aufmerksamkeit bei der Vermittlung der Alexandertechnik liegt auf den ungünstigen Pro­zesse, die Ursache für Beschwerden, (Selbst-)Blockaden oder Abspaltungen sind und die einer Veränderung von Bewegungs- oder Verhaltens-stereotypen im Weg stehen. Die Metho­de und ihre Wirkung zeigen, dass wir alles, was wir für eine gewünschte Verän­derung brau­chen, in uns haben: die Probleme und auch die Mittel für eine Lösung.

„Inhibition“ und „Direction“, Prinzipen unseres Nervensystems, setzt die Alexandertechnik be­wusst als Mittel ein, um den Neokortex, den jüngsten Teil des Gehirns, für das bewusste He­raus­springen aus dem „alten System“, für die mentale Ausrichtung auf ein ge­wünsch­tes Ver­hal­­ten zu nutzen.

Das Loslassen von Muskelspannung führt langfristig zum Loslassen von Vorstellungen über sich selbst, das eigene Denken und Fühlen. Dazu gehört eine ehrliche Selbst­beobachtung, um die Anteile, Emotionen und Ge­dan­ken zu akzeptieren und zu integrieren, die vorher ein „Schattendasein“ geführt haben. Jeder dieser Aspekte findet seinen Ausdruck im Körper­schema, im Muskeltonus, in der Haltung… .

Die Arbeit mit Modellen aus der Psychologischen Beratung setze ich auf Wunsch ein: Wenn Schüler daran interessiert sind, einen bestimmten Aspekt (z. B. ein Thema, ein Gefühl, eine Überzeugung) „genauer unter die Lupe zu nehmen“, biete ich verschiedene Werk­­zeuge an, um einzelne Aspekte abzugrenzen und zu betrachten.

Die Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen und die „Aufstellung verschiedener Anteile“ ist sehr hilf­reich, um vor allem in Phasen der Desorientierung Klärung und Unter­stützung anzubieten. Die Wirkmechanismen der Arbeit mit diesem Modell und der Alexandertechnik sind prin­zipiell identisch. Die Schüler können die bekannten Prinzipien aus der Alexandertechnik hier direkt anwen­den:

Bewusstwerden der Muster

  • Bewusstwerden der eigenen Muster
  • Selbstwahrnehmung
  • Selbstkontrolle durch Inhibition
  • Entdecken der Wahlfähigkeit
  • Vorstellen des gewünschten Verhaltens (Probehandeln)
  • Beobachten der „Mittel wodurch“ und die
  • Wahrnehmung der Wirkungen, d.h.
  • Selbstwahrnehmung … und der Kreis wird von Neuem durchlaufen.

Die Arbeit mit Glaubenssätzen ist geeignet, um Glau­bens­­sätze, die immer mit starken Emo­tionen verbunden sind, aufzu­decken und bewusst zu machen, auf welche Art und Weise sie sich in Körperteilen oder Körperzuständen zei­gen und wie sie das Handeln bestimmen.

Die Alexandertechnik schätze ich sehr aufgrund ihres besonderen Spektrums in der An­wen­dung. Sie eignet sich für die Prophylaxe, für die Lin­derung oder Hei­lung kleinerer oder grö­ßerer körperlicher Be­schwerden bis hin zur Persön­lich­keits­ent­wicklung und Selbst­erfah­rung durch die permanente „Wiederholung“ ihrer Prinzipien. Ihre Besonderheit liegt für mich darin, dass die Menschen lernen, sie selbst anzuwenden.

Das Potenzial der Alexan­der­technik ist so groß, wie ihre Anwendung durch den individuellen Menschen.

1 Egal, welche grammatischen Formen ich im Text verwende, es sind immer Frauen und Männer, Lehrerinnen, Lehrer, Schülerinnen, Schüler, Klientinnen und Klienten gemeint.

2 Alexander, F. M. (2001): Der Gebrauch des Selbst. Freiburg 2001, S. 11. (Erstausgabe: The Use oft the Self, 1932). Künft. Zit.: Alexander 2001.

3 Alexander 2001, S. 2-3

4 Barlow, Wilfrid.: The Alexander Principle. Dt.: Die Alexander-Technik. Gesundheit und Le­bensqualität durch den rich­tigen Gebrauch des Körpers. München 1984. Zit. nach: Gelb, Michael: Körperdynamik. Eine Einführung in die Alexan­der-Technik. Frankfurt/Main, Berlin 1999, S. 39. Künft. Zit.: Gelb 1999.

5 Vgl. Gelb 1999 : 39 – 40.

6 Dychtwald, Ken (1981): Körperbewusstsein: Eine Synthese der östlichen & westlichen Wege zur Selbst-Wahrnehmung, Gesundheit & persönlichem Wachstum. Essen, S. 157.

7 Vgl. Damasio, A.R. (2005): Der Spinoza-Effekt. Wie Gefühle unser Leben bestimmen. Berlin, S. 102-107.

8 Müller, L, Müller, A. (Hrsg.): Wörterbuch der analytischen Psychologie. Düsseldorf und Zürich 2003, S. 100.